Der CO2-Fußabdruck wird digital
(CO2-)Rucksack-Reise: Ein Digitaler Zwilling für den ökologischen Fußabdruck

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Warum Sie den Fußabdruck Ihrer Produkte kennen müssen und wie der Digitale Zwilling dabei hilft: Die EU macht Ernst – in Zukunft könnte nahezu jedes produzierende Unternehmen in der Pflicht stehen, über die Ökobilanz ihrer Produkte und Dienstleistungen Rechenschaft abgeben zu müssen. Für die Chemie bedeutet das enorme Mehraufwände – gilt es doch, alle Schritte in der Wertschöpfungskette genau zu berechnen. Ohne Digitalisierung wird es wohl nicht gehen…

Ist es Ihnen aufgefallen? Allenthalben liest man von Rucksäcken und Fußabdrücken – und das nicht (nur), weil Wanderreisen im Trend liegen. Die Frage, welche Umweltbelastungen gar nicht erst beim Benutzen eines Produkts entstehen, sondern mit dessen Erzeugung quasi eingepreist werden müssen, wird immer häufiger und immer lauter gestellt. Jetzt will es die EU wissen – und zwar ganz genau: Die EU-Taxonomie-Verordnung soll nicht nur helfen, Gelder von umweltschädlichen in nachhaltigere Aktivitäten zu lenken, sondern bringt gleich noch einen extrem umfangreichen Bewertungskatalog mit, wie diese Nachhaltigkeit eigentlich aussehen soll.

Dazu gehört der Kohlenstoff-Fußabdruck von Gütern und Produkten, also welche CO2-Emissionen durch die entsprechenden Waren verursacht werden. Dabei ist es keineswegs damit getan, einfach den Energieverbrauch des Herstellers mit der Energieart (also Grünstrom, Netzstrom, Öl oder Gas) zu verrechnen und die Rohstoffe einzubeziehen. Nein, neben diesen Scope-1-Emissionen (also Emissionen, die direkt bei der Produktion entstehen), kommen noch die durch Vorprodukte (und deren Transport) verursachten Scope-2-Emssionen.

Dazu kommen aber auch organisatorische Fakten, wie Emissionen der Verwaltung, Entwicklungsaufwände, eine etwaige Dienstwagenflotte und sogar der Weg der Mitarbeiter zur Arbeit. Als wäre das nicht genug, sollen die Firmen auch noch Emissionen aus der Nutzung, Verarbeitung oder dem Recycling ihrer Produkte bilanzieren (Scope-3). Immerhin der Kantinenplan scheint – noch – nicht das Misstrauen der EU-Kommission erregt zu haben.

Viel zu tun für die Chemie

Immerhin – doch auch so gibt es viel zu tun, insbesondere in Deutschland: Das Land sein ein „Netto-Importeuer“ von CO2 da es vielfach Rohmaterialien oder Vorprodukte importiere. Zwar wird auch ein nicht unerheblicher Teil der so gefertigten Wertschöpfung wieder außer Landes gebracht, doch das interessiert die EU erst einmal wenig. Je nach Branche übersteigen die indirekten Emissionen – ob im Inland oder jenseits der Bundesgrenzen – die direkte bei der Herstellung entstehenden um ein Vielfaches.

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Und was geht mich das an? Kommt die geplante EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen, sollen Unternehmen nicht nur zur Erfassung dieses Umweltrucksacks verpflichtet werden, sondern auch „geeignete Schritte zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht sowohl bei direkten als auch indirekten Geschäftsbeziehungen entlang ihrer Wertschöpfungskette einzuführen“ – Haftung inbegriffen. Und das nicht nur bei den Siemens und BASFs dieser Welt, sondern schon bei Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens 150 Millionen Euro (wer in „Risikosektoren mit besonders hohem Schadenspotenzial“ tätig ist, fällt sogar schon bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz unter die Regelung).

Nachweis wird zur Pflicht

„Die EU verpflichtet die Unternehmen zur Angabe eines Product Carbon Footprint (CO2-Fußabdruck). Die Prozessindustrie, die z. B mit Blick auf die Chemie intensiv in globale Wertschöpfungsnetze eingebunden ist und ein extrem vielfältiges Produktportfolio aufweist, steht hier vor besonderen Herausforderungen. Die Produktion ist in der Regel energie- und dementsprechend CO2-intensiv, weswegen eine korrekte, vollständige und harmonisierte Ermittlung des Fußabdrucks von hoher Bedeutung ist,“ erklärt Hanno Kempermann, Geschäftsführer der IW Consult .

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Übrigens: Auch Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten, die aber in der Union entsprechende Mitarbeiter und oder Umsätze haben, sind betroffen. In Deutschland entspräche das zwar nur rund 0,5 Prozent der „Unternehmen“, allerdings über 43,5 Prozent der Beschäftigten (~15 Millionen). Und auch Größe allein bedeutet nicht, verschont zu bleiben: Wer nachweißpflichtige Unternehmen beliefert, wird in Zukunft denen Rede und Antwort bezüglich des Fußabdrucks der eigenen Produkte stehen müssen.

Wie klappt die CO2-Bilanz?

Es gibt kein Entrinnen – wer nicht gerade als Handwerksbäcker Brötchen verkauft oder andere Dienstleistungen für Endkunden mit kleiner und kleinster Mannschaft anbietet, wird sich wohl oder übel Gedanken über die Bilanzierung des CO2-Fußabdrucks machen müssen. Die Anforderungen an diese Umwelt-Buchhaltung fast das Institut für Wirtschaft in der Trias Informationen zu allen Vorprodukten und Arbeitsschritten sammeln, in einem gemeinsamen Datenformat vergleichbar machen und in eigene Carbon-Footprint-Berechnungen einbinden.

Und wie soll das funktionieren? Welche Tools sollen diesen Mehraufwand händelbar machen und den Datentransfer zwischen Zulieferern, Verarbeitern und Kunden ermöglichen? Das die Umweltbilanz im Jahr 2023 wohl eher nicht mehr in Form von Klemmbrett und Laufmappe daherkommt, sollte klar sein. Wie aber kann die CO2-Bilanzierung auch für Unternehmen aus der Prozessindustrie gelingen? Gut wenn man einen Bruder hat: Wie so oft soll es der digitale Zwilling richten. Und der kommt diesmal anders daher, als es Prozess- und Chemie-Spezialisten gewohnt sind. Nicht – bzw. nicht nur – als lebendiges Abbild der Produktionsanlagen, sondern als digitaler Spiegel aller Gewerke bis hinunter zur Produktebene (einen Gedanken, den mancher aus der Fertigungsindustrie kennt).

Der Digitale Zwilling

Oh je, noch ein Zwilling… und dann müssen ja auch noch die Digital Twins der Zulieferer einbezogen werden. Das wird – so viel scheint klar – ohne gemeinsame Standards nichts werden. Digitale Beschreibungen und Richtlinien für das Einkauf- und Lieferantenmanagement würden nicht nur die Aufwände der Nachhaltigkeitsmessung reduzieren, sondern eventuell überhaupt möglich machen. Es gelte daher, die Digital-Konzepte um entsprechende Kriterien zu ergänzen, nicht zuletzt, damit es nicht zum den gefürchteten Insellösungen kommt.

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Wie diese aussehen könnten? Da bringen sich schon einmal die Macher des Eclass-Standards in Stellung: Die selbsternannte „Sprache der Dinge“ will Produkte und Dienstleistungen mittels einheitlicher, ISO-konformer Merkmale klassifizieren und so einen Stammdatenaustausch über Branchen, Unternehmen und Ländergrenzen hinweg ermöglichen. Eclass – aber natürlich auch ähnliche Ansätze – böten eine Reihe von Vorteilen, die sie perfekt für die Integration derartiger Nachhaltigkeitskennzahlen machten: So würde sich der Aufwand (und damit die Kosten) gegenüber analogen Lösungen deutlich reduzieren und der ökologische Fußabdruck von Rohstoffen, Vorprodukten und Halbzeugen direkt in die eigene Berichterstattung integrieren. Damit wären die Firmen auch rechtlich auf der sicheren Seite, so die Eclass-Organisation.

Viel gefordert – manches möglich

Für europäische Firmen böte die entschlossene Implementierung derartiger offener Standards zudem eine Chance, sich als verlässliche Partner zu präsentieren – aus Sicht des IW Köln würde das mittelfristig eine Konzentration auf wenige Zulieferer (meist aus möglichst entwickelten Ländern) bedeuten und – so paradox es klingt – Lieferketten stärken. IW-Consult-Geschäftsführer Kempermann ist überzeugt: „Eine vollständige Digitalisierung dieser Aufgaben bringt viele Vorteile wie Kosten- und Zeitersparnisse, die Vermeidung von Informationsverlusten durch eine einfache Integration oder eine hohe Transparenz über das gesamte Wertschöpfungsnetz. Die chemische Industrie beteiligt sich schon heute an dem Produktstammdatenstandard Eclass, der die relevanten Merkmale eines CO2-Fußabdrucks beinhaltet und international genutzt wird.“

Der Digitale Zwilling wird vermutlich auch in der Chemie nicht länger auf den Anlagenbau beschränkt sein: Energie- und Gebäudemanagement (BMS) drängen ebenso mit Macht ins digitale wie Produkte. Auch wenn die Diskussion derzeit vor allem im Bereich der (diskreten) Fertigungsindustrie geführt wird, heißt es vorbereitet sein. Chemische und Verfahrenstechnische Produkte stehen am Anfang der Wertschöpfung – allerspätestens, wenn Kundenbranchen entsprechende Werte für ihre eigenen Bilanzen brauchen.

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Dieser Beitrag Ein Digitaler Zwilling für den ökologischen Fußabdruck stammt aus folgender Quelle www.process.vogel.de und wurde am 2023-01-27 11:24:30 veröffentlicht.

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