Additive Fertigung in der Pharmaindustrie
Die Tablette aus dem 3D-Drucker: Wann ist es endlich soweit?

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Die Tablette aus dem 3D-Drucker verspricht bedarfsgerechte Medikation und maßgeschneiderte Arzneien für jedermann. Doch nach der Aufregung um das 2015 zugelassene Epilepsiemedikament Spritam hat der Rummel nachgelassen. Ist die additive Fertigung von Medikamenten immer noch eine Zukunftsvision oder doch eher ein Fall für Nischenanwendungen? Noch kommen die Tabletten aus einer konventionellen Tablettenpresse. (Bild: BestForYou – stock.adobe.com) Als 2015 die FDA für das Epilepsimedikament Spritam, die erste Tablette aus dem 3D-Drucker grünes Licht gab, war das Medienecho riesig. Zu verführerisch klang die Idee der Tablette aus dem Drucker, die on-demand und individuell für jeden Patienten die richtige Medizin liefert. Marktbeobachter erwarteten einen Paradigmenwechsel in der Pharmaproduktion und einen neuen Boom in der additiven Tablettenproduktion. Doch die in Marktstudien prophezeiten große Zuwächse lassen auf sich warten. Er habe deutlich mehr zugelassene 3D-Druck-Medikamente auf dem Markt erwartet, sagte Patrick van Oirshot, Managing Partner bei GPP Support, im Oktober 2021 auf einer Digitalkonferenz der International Pharmaceutical Federation. Was sagt die FDA zum 3D-Druck?Die FDA hat bereits 2017 eine Leitlinie für 3D-gedruckte Medizinprodukte herausgegeben. Außerdem gibt es ein Perspektivenpapier in dem die Behörde ihre positive Haltung gegenüber innovativen, 3D-gedruckten, aber dennoch sicheren Arzneimitteln und Medizinprodukten kund tut. Auch ist die additive Fertigung in das 2014 ins Leben gerufene Emerging Technology Program (ETP) aufgenommen. Trotzdem liegt eine Zulassung für patientenindividualisierte, 3D-gedruckte Arzneimittel bisher noch nicht vor. Eine wichtige regulatorische Fragestellung werde bei zukünftigen Zulassungsgesuchen in der Definition des 3D-Drucks von wirkstoffhaltigen Darreichungsformen entweder als Arzneimittelherstellung (mit Herstellungserlaubnis nach §13 Arzneimittelgesetz), als individuelle Rezeptur zum Beispiel im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs oder als Rekonstitution eines Fertigarzneimittels liegen. Dabei stehe das Konzept der personalisierten Herstellung von kleinen Stückzahlen den Regularien der standardisierten Massenproduktion und der Notwendigkeit von Prozessvalidierungen und destruktiven Prüfungen gegenüber, analysiert Wiebke Kempin in ihrer Dissertation von 2018 (Universität Greifswald).

Warum kommt der 3D-Druck nicht in die Gänge?

Doch woran liegt es, dass die hochgelobte neue Technologie nicht wie prophezeit voran kommt? Welche Hindernisse müssen noch an die Seite geräumt werden? Und wo gibt es überhaupt lohnende Einsatzfelder für die Pharmabranche? Wer Antworten sucht, für den lohnt es sich, mit den Experten von Merck in Darmstadt zu sprechen. „Die 3D-Druck-Technologie ist für eine so hoch regulierte Branche wie die Pharmaindustrie doch eher exotisch und stellt hohe Anforderungen“, erklärt Simon Geissler. Der promovierte Pharmazeut leitet als Director Drug Delivery and Innovation bei Merck Healthcare ein Team, das neue Drug Delivery-Technologien auf ihre Tauglichkeit hin untersucht und dabei den 3D-Druck als eine unter mehrere Zukunftstechnologie beobachtet. Sein Kollege Thomas Kipping, ebenfalls promovierter Pharmazeut bei Merck, erforscht als Head of Drug Carriers mit seiner Gruppe Technologien und Hilfsstoffe, um Arzneistoffe an den Wirkungsort zu transportieren. Warum das Ganze nicht schon längst Fahrt aufgenommen hat, erklärt er u.a. so: „Beim 3D-Druck können wir anders als bei der konventionellen Tablettenherstellung nicht auf eine größere Zahl von Equipmentlieferanten zugreifen. Das schränkt die Zahl der möglichen Kooperationspartner von vornherein ein. Know-how muss sowohl extern als auch intern aufgebaut werden.“ All das erfordert großen Entwicklungsaufwand, nicht nur in der Pharmaindustrie selbst sondern auch bei den Technologieanbietern, die zum Teil noch im Start up Stadium sind und sich von Venture Capital finanzieren.

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Aprecia und Triastek als Türöffner für den 3D-Druck

Die Entwicklung neuer Formulierungs-Technologien ist auch der entscheidende Antrieb des Chinesischen Pharmaunternehmens Triastek. Die 2015 gegründete Firma hat das Melt-Extrusion Deposition (MED)-Verfahren entwickelt und bezeichnet sich selbst als Pionier des 3D-Drucks. Mit Hilfe dieser 3D-Drucktechnologie könne Triastek neuartige Formulierungen entwickeln, die mit konventionellen Darreichungsformen nur schwer realisierbar seien, erklärt das Unternehmen auf seiner Webseite. Für drei Arzneimittel hat die FDA Triastek mittlerweile die Erlaubnis für klinische Studien erteilt. Die sogenannte IND-Zulassung (Investigational New Drug) betrifft die Rheumapille T19, T21 zur Behandlung chronischer Dünndarmentzündungen sowie den Blutgerinnungshemmer T20. Triastek treibt sein MED-Verfahren intensiv voran und arbeitet seit Sommer 2022 mit Lilly China, um noch durchaus grundsätzliche Fragen zu klären z.B. wie Hilfsstoffe und Prozessparameter die Wirkstoffstabilität und das Freisetzungsverhalten beeinflussen. Auch wenn Aprecia und Triastek so etwas wie die einsamen Rufer in der Wüste sind: Die Arbeiten beider Unternehmen hätten sicher dazu beigetragen, den 3D-Druck bei den Genehmigungsbehörden salonfähig zu machen, sagt van Oirshot. Schließlich ließ sich der damalige FDA Commissioner Scott Gottlieb nicht umsonst 2017 zu einem feurigen Statement über die Chancen der additiven Fertigung für Medizintechnik und Arzneimittelforschung hinreißen.

Zurückhaltung in der Pharmabranche

Doch insgesamt zögert die Pharmabranche: Informationen über Forschungsaktivitäten und/oder Kooperationen dringen kaum nach draußen. Deshalb zurück zu Merck Darmstadt, das sich als eines der wenigen Unternehmen aus der Deckung wagt. „Wir sehen im 3D-Druck für Arzneistoffe mehrere interessante Aspekte, weshalb wir uns diese Technologie genau ansehen“, erklärt Pharmazeut Kipping und nennt die Möglichkeit der dezentralen Herstellung, individuelle Patientendosierung und eine Steuerung des Freisetzungsprofils auch für schwerlösliche Wirkstoffe. Stand vom 15.04.2021 Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir verantwortungsvoll mit Ihren personenbezogenen Daten umgehen. Sofern wir personenbezogene Daten von Ihnen erheben, verarbeiten wir diese unter Beachtung der geltenden Datenschutzvorschriften. Detaillierte Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

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Schaut man sich allein Anpassungen bei Herstelltechnologien an, spricht man schnell über Zeiträume von fünf Jahren und mehr. Hinzu kommt: Aprecia hat mit seinem Epilepsiemedikament eine ausgesprochene Nische bedient, welche vielleicht nicht vollumfänglich das Potenzial der Technologie über schnell freisetzende Arzneiformen hinaus abgebildet hat. Thomas Kipping: Trotzdem sehen wir aber eine klare technologische Weiterentwicklung, die sich allerdings noch nicht auf Produktebene widerspiegelt. Die Technologiefirmen erweitern durch Kooperationen ihre möglichen Anwendungsfelder und wir beobachten, dass der 3D-Druck stärker Beachtung findet. Zusätzlich zum Binder Jetting wird jetzt auch mit Schmelzextrusion gearbeitet und dadurch verbreitert sich das Anwendungsspektrum noch einmal. Erweitert sich der Baukasten werden wir sicher auch mehr konkrete Anwendungen sehen.Welche 3D-Druck-Technologien schaut sich Merck konkret an?Kipping: Für die Produktentwicklung nutzen wir u.a. schmelzbasierte Verfahren, wie die Schmelzextrusion. Hier geht es um amorphe Systeme, um die Löslichkeit von Wirkstoffen zu verbessern. Da gibt es sehr gute Synergien auch mit dem 3D-Druck. Im BMBF-Projekt Polyprint haben wir für den Filamentdruck neue Polymere entwickelt, welche verbesserte Eigenschaften für die Extrusion, Verdruckung und Stabilisierung von Arzneistoffen ermöglichen. Geissler: Wir schauen uns unterschiedliche Kerntechnologien an, weil wir nicht glauben, dass eine 3D- Drucktechnologie allen Anforderungen gerecht wird. Neben der Schmelzextrusion beschäftigen wir uns auch mit pulverbasierten Verfahren wie z.B. Binder-Jetting oder Laser-Sintering. Je nach Fragestellung zeigen unterschiedliche Prozesse die beste Eignung.Sind die Materialeigenschaften der momentan verfügbaren Pharmahilfsstoffe für den 3D-Druck geeignet? Kipping: Die passenden Hilfsstoffe zu finden ist Teil der Technologieevaluierung. Und wir können hier aufgrund unserer Arbeiten zur Löslichkeitsverbesserung auf ein sehr breites Know-how zurück greifen. Wir sehen beim 3-D-Druck den Bedarf für spezialisierte Excipients und versuchen für die jeweilige Technologie gezielt zu optimieren, um eine möglichst breite Funktionalität der finalen Dosierungsformen zu gewährleisten. Wir nutzen beispielsweise unsere Polyvinylalkohol-Plattform, die für Schmelzverfahren besonders gut geeignet ist. Durch gezielte Modifizierungen können wir die Viskosität der Schmelze an das Verfahren anpassen. Beispielsweise können wir extrem niedrigviskose Schmelzen erzeugen, die sich auch für sehr feine Dosiersysteme eignen, wie sie für das Advanced Melt Drop-System im Freeformer nötig sind. Hier wird das Polymer-Wirkstoffgemisch tropfenweise abgelegt und die Darreichungsform schichtweise aufgebaut. Wir sind aber auch in der Lage über den Hydrolysegrad die Amphiphilie des Polymers so zu beeinflussen, dass der Wirkstoff nach der Freisetzung auch in Lösung gehalten wird. Diese zusätzliche Funktionalität ist bei der Schmelzextrusion wichtig und ist in unserem neuen Polymer MXP 382 umgesetzt. Seit 2017 sind die Darmstädter an dem Thema additive Fertigung dran und nähern sich von zwei Seiten. Kipping hat z.B. einen neuen Arzneimittelhilfsstoff entwickelt, der durch optimierte amphiphile Eigenschaften die Löslichkeit von schwerlöslichen Wirkstoffen verbessern kann und und die Amphiphilizität von Polymeren verbessert und daher für Heißextusionsverfahren – wie sie auch bei der additiven Fertigung eingesetzt werden – gut geeignet ist. Sein Kollege Geissler ist hingegen begeistert von möglichen Einsatzbereichen z.B. bei klinischen Studien: Hier könne man mit 3D-gedruckten Medikamenten, deutlich mehr Flexibilität gewinnen, um im Rahmen von klinischen Studien das Dosis-Regime festzulegen und sowohl Charakteristika der Arzneiform als auch die Verabreichungsintervalle schnell auf das Studiendesign anzupassen.Sein Kollege Geissler ist hingegen begeistert von möglichen Einsatzbereichen z.B. bei klinischen Studien: Hier könne man mit 3D-gedruckten Medikamenten, deutlich mehr Flexibilität gewinnen, sowohl Charakteristika der Arzneiform als auch die Verabreichungsintervalle schnell auf das Studiendesign anzupassen.

Bleibt dem 3D-Druck nur das Platz in der Nische?

Trotzdem gibt es Einschränkungen: Die Anwendungsfelder für den 3D-Druck müssten sehr gut identifiziert werden, sagt Kipping und es brauche einen echten Mehrwert. Klar sei Löslichkeit ein Thema sagen beide Fachleute unisono, schon deshalb weil die Mehrzahl der Wirkstoffe in den Pipelines eine eher geringe Löslichkeit ausweise. Aber allein deshalb, würde man nicht zwingend die additive Fertigung weiter entwickeln. Es gehe um eine Verknüpfung mehrerer Faktoren: Dezentralisierung, Individualisierung aber auch Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Kipping verweist auf die Möglichkeit zur on Demand-Herstellung und das Potenzial, Herstellung lokal zu dezentralisieren – die Suche nach Konzepten ist in der Pharmaproduktion in vollem Gang und additive Fertigung könnte ist hier ein interessanter Kandidat sein. Trotz allem ist die Stimmung insgesamt eher verhalten

Neuland, aber eins mit Potenzial

Die Handvoll technologischer Start ups, die sich dem 3D-Druck verschrieben haben, wird das nicht gerne hören. Doch Zukunftsvisionen gehören zu deren Jobbeschreibung, weshalb die Verantwortlichen nicht müde werden, die Aussichten der additiven Fertigung zu preisen. Von besseren, schnelleren und kostengünstigeren Lösungen spricht etwa das 2017 gegründete Start up Laxxon Medical. Das Unternehmen residiert in New York City und forscht in Jena, wo es im Technologie- und Innovationspark Laboratorien betreibt. Vor kurzem ist das Start up eine Partnerschaft mit Evonik eingegangen. Ziel ist ein gemeinsames GMP-Labor in den USA. Das Team um Chief Science Officer Achim Schneeberger hat ein 3D-Siebdruckverfahren entwickelt, das unter dem Kürzel SPID-Technologie (Screen Printing Innovational Drug Technology) vermarktet wird und für kleine Chargen in Forschung und Entwicklung geeignet sein soll. Auch Markus Dachtler, Chef des Ulmer Start ups Dihesys glaubt fest an die disruptive Kraft des Verfahrens und will mit den 3D-Druckverfahren ein komplettes Ökosystem um den Patienten bauen. Ein weiterer Spieler ist das englische Unternehmen „FabRx“ mit dem 3D-Drucker „M3D0Maker“, der im spanischen Universitätsklinikum von Santiagi di Compostella in einer Machbarkeitsstudie seine Tauglichkeit beweisen hat. Einer, der an vorderster Front und mit einem klaren Ziel vor Augen die Entwicklung des 3D-Drucks vorantreibt ist Torsten Hoppe-Tichy. Bei aller Begeisterung für die Technologie holt der promovierte Chefapotheker der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikum Heidelberg alle Visionäre ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Torsten Hoppe-Tichy ist Chefapotheker an der Uniklinik Heidelberg. (Bild: Hoppe-Tichy) „Jedes Druckverfahren, das wir aus der Papierdruckherstellung kennen wird auch für Pharma getestet. Doch man muss klipp und klar sagen, dass all diese Verfahren noch ganz am Anfang stehen“, analysiert er nüchtern.

Im Krankenhaus zeigt sich das wahre Potenzial des 3D-Drucks

Hoppe-Tichy geht es um Verbesserungen für die Patienten und weniger um Disruption oder neue Geschäftsmodelle. Denn der Druck auf die Krankenhausapotheken ist groß. In Heidelberg fertigen die 140 Mitarbeitenden bis zu 90000 Cytostatika-Zubereitungen pro Jahr, rund 60000 Kapseln und orale Lösungen häufig für Kinder, sagt der Chef. Die Wirkstoffcocktails werden genau auf die einzelnen Patienten abgestimmt und Kinder sind besonders anspruchsvoll. All das braucht viel Zeit sowie PTAs die herstellen, wobei beides immer knapper wird. „Wir überlegen deshalb sehr genau wo, und wie wir automatisieren können“, erklärt der Apotheker. Digitale Druckverfahren sind für ihn daher Mittel zum Zweck und Teil einer Strategie, die er verfolgt. Es geht u.a. darum in Heidelberg ein Druckerzentrum aufzubauen, das nicht nur national sondern auch Europaweit vernetzt ist und in der Lage ist z.B. Prothesen für Gesichts- und Kiefernchirurgie zu drucken aber eben auch Medizin, die in Dosis und Aufnahme an die Bedürfnisse der kleinen Patienten angepasst ist. Der Anfang ist gemacht: Seit 2021 steht in Heidelberg ein Pharmadrucker des Start ups Dihesys, der ähnlich wie ein Tintenstrahldrucker arbeitet. Die „Tinte“ enthält das aufgelöste Arzneimittel. Sie wird vom Pharma-Drucker auf ein briefmarkendünnes Plättchen aufgetragen, das wasserlöslich ist, sich im Mund von alleine auflöst und deshalb orodispersibler Film heißt. Inzwischen steht der zweite Drucker in Heidelberg und demnächst auch ein Dritter, beide von anderen Herstellern. Beide nutzen Festdruckverfahren, womit man solide 3D-Körper herstellen kann und sollen nun erprobt werden.

Studien zeigen: Es geht

Grundsätzlich, sagt Hoppe-Tichy, funktioniere das 2D-Druckverfahren für die orodispersiblen Filme. Im Herbst letzten Jahres hat das Heidelberger Team eine erste Studie veröffentlicht, die zunächst mittels des Schlafmittels Midazolam einmal Basics zur Pharmakokinetik untersucht hat. Eignen sich orodispersible Filme überhaupt als Form zur Verabreichung? Wie gut wird das gedruckte Medikament über die Mundschleimhaut aufgenommen? Wieviel davon kommt im Blut an? Welches ist die kleinste verabreichbare Dosis? Die Ergebnisse signalisieren grünes Licht für weitere Studien. Doch wie so oft in der Entwicklung liegt auch hier die Tücke im Detail: Die Tinte darf nicht zu dünn –- aber auch nicht zu dickflüssig sein. Orodispersible Filme können auch nur eine begrenzte Wirkstoffdosis aufnehmen. Film und Wirkstoff müssen auf einander abgestimmt sein. Der Wirkstoff muss löslich sein, darf also eine definierte Molekülgröße nicht überschreiten und und und. Deshalb erwartet Hoppe-Tichy, das für unterschiedliche individuelle Patienten-Zubereitungen auch unterschiedliche Druckverfahren eingesetzt werden. „Es gibt keinen Drucker der alles kann“, sagt der Apotheker. Jedes Verfahren habe Stärken und Schwächen – Technologieoffenheit deshalb extrem wichtig.

Netzwerk der Universitäten

Die Heidelberger Gruppe ist eng vernetzt mit anderen Forschergruppen: Es gibt auf nationaler Ebene intensive Kontakte zur Heinrich Heine Universität Düsseldorf und zum Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und in einem neuen Projekt auch zu den Universitäten Ütrecht, Stuttgart und Graz. Internationale Verbindungen bestehen auch zum Pariser Krebszentrum Gustave Roussy.Die Düsseldorfer Heinrich Heine Universität nutzt das Schmelzextrusionsverfahren bei dem Wirkstoffe in in Extruder in Polymerfilamente eingeschmolzen, und anschließend in den Druckkopf transportiert und zu Tabletten geformt werden. Auch das Team dort hat die Behandlung von Kindern und Säuglingen im Visier. Kleinkinder und Kindern wachsen sehr schnell. Medikamentendosen müssten deshalb quasi mitwachsen und schrittweise größer werden. Das sei auf dem Markt so nicht abgebildet, erklärt Prof. Dr. Julian Quodbach, der das Projekt am Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der HHU geleitet hat und jetzt in Utrecht lehrt. Die neue Drucktechnik mache es möglich, die tatsächlich benötigte Dosis nach dem Rezept einer Kinderärztin exakt zu drucken. Wann das soweit ist? Die beiden Merck-Experten glauben nicht, dass die klassische Tablettenproduktion sobald Konkurrenz bekommt. Der Heidelberger Apotheker Hoppe-Tichy hat jedenfalls ein klares Ziel vor Augen. Bis zu seinem Ruhestand in drei Jahren soll in seiner Krankenhausapotheke ein pharmatauglicher 3D-Drucker Kleinstmengen liefern. Pulver oder Schmelze?Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten der additiven Fertigung: Das Pulverbettverfahren bei dem eine fein gemahlene Pulverschicht beispielsweise aus Polymeren, metallischen oder keramischen Materialien entweder durch , die durch punktuelles Aufbringen einer Binder-Lösung (binder jetting) oder durch laservermitteltes An- oder Aufschmelzen (selective laser sintering – SLS oder selective laser melting – SLM) gezielt verbunden wird. Oder Schmelzschichtungsverfahren bei dem thermoplastische Polymere zu Filamenten aufgeschmolzen und Schicht- oder Tropfenweise zu dreidimensionalen Körpern aufgebaut werden. (ID:47457688)

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