Marc Funk, der frühere Konzernchef von Lonza, berät neu als Verwaltungsrat den aufstrebenden Medikamentenhersteller Chime Biologics. Unternehmen aus China fassen zunehmend im hochmargigen Geschäft mit Biotech-Präparaten Fuss und fordern dabei etablierte Anbieter wie Lonza oder Boehringer Ingelheim heraus.

Chris Chen, der Chef des aufstrebenden chinesischen Auftragsfertigers Wuxi Biologics, spricht an der letztjährigen East-Tech-West-Konferenz des Fernsehsenders CNBC in China.

Zhong Zhi / GettyDer Pharmamanager Marc Funk verantwortete in den vergangenen Jahren eines der erfolgreichsten Expansionsprojekte in der Schweizer Wirtschaft. Unter seiner Führung von 2014 bis Anfang 2019 wuchsen die Umsätze, welche die Basler Lonza-Gruppe mit Kunden aus der Pharma- und Biotechnologiebranche erwirtschaftet, um über 100% von 1,4 Mrd. auf 3,1 Mrd. Fr. In Anerkennung dieser Leistung wurde er im März 2019 vom Spartenleiter zum Konzernchef befördert. Doch der Westschweizer hielt sich nur acht Monate in seinem neuen Amt.

Von Lonza zu Recipharm und Chime

Was genau zu seinem gegen aussen «mit persönlichen Gründen» erklärten Rücktritt geführt hatte, ist nicht bekannt. Spekuliert wurde damals, er habe sich mit dem Verwaltungsratspräsidenten Albert Baehny überworfen, der als dominante Persönlichkeit gilt. Doch wie sich jetzt zeigt, hat Funk der Pharmabranche nicht den Rücken gekehrt. Seit Anfang März 2021 amtiert er als Chef des schwedischen Lonza-Konkurrenten Recipharm. Zudem stellt er sich pikanterweise in die Dienste eines aufstrebenden chinesischen Auftragsfertigers. In der Medienmitteilung zu seiner Ernennung in den Verwaltungsrat von Chime Biologics lässt er sich dahingehend zitieren, dass er «sehr aufgeregt» sei angesichts des Potenzials der Firma, in absehbarer Zeit unter die weltweit führenden Organisationen im Bereich Contract Development and Manufacturing vorzustossen. Als Contract Development and Manufacturing Organizations (CDMO) werden im Branchenjargon Unternehmen genannt, die als Auftragsfertiger für Medikamentenanbieter tätig sind. Ihre Dienste sind stark gefragt, denn es gibt weltweit immer mehr junge Biotechfirmen, die noch nicht über eigene Kapazitäten für die Herstellung ihrer Produkte verfügen.

Marc Funk, den ehemaligen Chef von Lonza, zieht es nach China.

Georgios Kefalas / Keystone

Ohne Auftragsfertiger keine Vakzine

Hinzu kommt, dass auch grosse Pharmaunternehmen einzelne Schritte in der Entwicklung und der Produktion oder die Fertigung gesamter Medikamente an Drittfirmen auslagern, um ihre Fixkosten zu begrenzen. Ohne die Unterstützung von Auftragsfertigern hätte es die Pharmabranche auch nie geschafft, in Rekordzeit zusätzliche Kapazitäten für die Produktion von Impfstoffen und Therapeutika gegen Sars-CoV-2 aus dem Boden zu stampfen. So engagiert sich beispielsweise Lonza als Produktionspartner von Moderna. Dasselbe gilt für Recipharm. Weil immer mehr der neusten Medikamente in Form von Spritzen und Infusionen statt als Tabletten oder Kapseln verabreicht werden, wächst das Geschäft mit Erzeugnissen aus biotechnologischer Produktion deutlich stärker als jenes mit Arzneimitteln, die auf chemischer Basis hergestellt werden. Von 2014 bis 2019 expandierte dieser Markt jährlich im Durchschnitt um knapp 9% auf 230 Mrd. $ (verglichen mit rund 3% für das gesamte Pharmageschäft, das vorletztes Jahr ein Volumen von 1250 Mrd. $ erreichte).

Branche mit viel Rückenwind

Mit schätzungsweise knapp 10 Mrd. $ noch vergleichsweise klein sind die Umsätze, die Auftragsfertiger im Bereich der Herstellung von Biotech-Medikamenten, auch Biologika genannt, erwirtschaften. Laut Branchenprognosen, die der chinesische Anbieter Wuxi Biologics in seinem neusten Geschäftsbericht zitiert, ist in diesem Sektor bis 2025 aber mit einem starken Wachstum von jährlich über 11% auf fast 17 Mrd. $ zu rechnen. In einer Aufstellung, die Analytiker der Grossbank UBS zusammengetragen haben, taucht Wuxi mit einem letztjährigen Marktanteil von 5% erst auf Rang fünf auf. Allerdings dürfte die Firma bis in vier Jahren bereits auf schätzungsweise 14% kommen. Nummer eins in der Auftragsfertigung von Biologika ist der südkoreanische Anbieter Samsung Biologics, dicht hinter ihm folgt Lonza. Zusammen kontrollieren die beiden Unternehmen etwas über 50% des Marktes. Weitere gewichtige Anbieter sind der deutsche Familienkonzern Boehringer Ingelheim, der neben eigenen Medikamenten auch solche für Drittfirmen produziert, sowie die ebenfalls koreanische Firma Celltrion.

Lonza knapp hinter Samsung

Marktanteile der Auftragsfertiger von Biologika 2020, in %

0510152025Samsung BiologicsLonzaBoehringer IngelheimCelltrionWuxi BiologicsThermo FisherCatalentÜbrige

Chinesische Firmen mischen in diesem Geschäft, das sich ausser hoher Wachstumsraten auch eindrücklicher operativer Margen (vielfach im Bereich von ungefähr 30%) erfreut, erst seit wenigen Jahren mit. Die Firma Chime aus Wuhan beispielsweise beliefert erst seit 2016 Kunden, wobei sie sich nach wie vor auf die Fertigung vergleichsweise kleiner Volumen für klinische Studien konzentriert. Auch ihr deutlich grösserer Konkurrent Wuxi Biologics, der 2010 gegründet wurde, bringt sich grossmehrheitlich in Forschungsprojekte ein.

Innovator statt Verfolger

Allerdings dürfte es bei beiden Firmen lediglich eine Frage der Zeit sein, bis sie in der grossvolumigen Produktion von Medikamenten für den kommerziellen Einsatz Fuss fassen. Die gesamte chinesische CDMO-Branche habe sich innerhalb von wenigen Jahren von einem «schnellen Verfolger» («fast follower») zu einem «wahren Innovator» entwickelt, hält das Management von Wuxi in seinem Jahresbericht fest und fügt selbstbewusst hinzu: «Die Blütezeit wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen.» Damit ist auch gesagt, dass China längst nicht mehr nur ein Anbieter günstiger Generika oder von Vorprodukten für die Medikamentenherstellung im Westen ist. Zu den Kunden von Wuxi gehören etablierte Pharmaunternehmen wie die spanische Firma Almirall oder die britisch-schwedische Gruppe AstraZeneca, die schon früh Geschäfte in China forciert hat. Den Hauptharst bilden indes nach wie vor chinesische und westliche Biotechfirmen, wobei mit AC Immune und AB2 Bio im Jahr 2020 auch zwei Schweizer Vertreter (beide aus Lausanne) unter Vertrag genommen wurden.

Keine Sorge vor Überkapazitäten

Angesichts des erwarteten hohen Wachstums planen sämtliche weltweit führenden Auftragsfertiger in den kommenden Jahren umfangreiche Investitionen in den Ausbau ihrer Kapazitäten. Die grössten Investitionen – noch vor Samsung – hat Wuxi angekündigt. Die Firma, die ihre Belegschaft allein im laufenden Jahr von 6600 auf 9000 Mitarbeiter vergrössern will, errichtet dabei Produktionsstätten sowohl in China als auch in den USA und in Europa. Im vergangenen Jahr gab sie zudem den Erwerb von zwei Fabriken des deutschen Pharmakonzerns Bayer (in Leverkusen und in Wuppertal) bekannt. Die Analytiker der UBS befürchten trotz den vielen Investitionen keine Überkapazitäten. Würde sich die Branche nicht wie angekündigt engagieren, wäre ab 2024 mit «signifikanten Engpässen» zu rechnen, sind sie gar überzeugt.



Link zum Originalbeitrag